Konzerne auf Nazi-Trip

Zur ersten Kampagne „Du bist Deutschland“ (DbD1)

Offiziell über 30 Mio. Euro hatte die viermonatige, Ende September 2005 gestartete, vor allem von Medienkonzernen getragene und nach eigenen Angaben bislang größte „Social-Marketing-Kampagne“ zur Verfügung.1 Zum Zeitpunkt des Antifee 2008 ist die zweite Welle der Kampagne, diesmal zum Thema Kinderfreundlichkeit, gerade vorüber (siehe gesonderter Text). Um DbD2 richtig einordnen zu können, lohnt sich ein Blick auf die Grundkonstruktion der Kampagnen, wie sie in DbD1 zum Ausdruck kam.

Mit unverhülltem Nationalismus schockte die von Promis unterstützte erste Welle von „Du bist Deutschland“. Die Liebe zu Deutschland bzw. ein Deutschland-sein wurde als Begründung und Belohnung für Eigeninitiative und Motivation dargestellt. Spots, Anzeigen und Plakate sollten Zuversicht und positives Denken erzeugen – immer verbunden mit der Konstruktion einer nationalen Gemeinschaft der Deutschen als sinnstiftendem Element. Über die Ergebnisse der Kampagne freut sich ihr Sprecher Lars Cords. Sie habe zu „unverkrampftem Patriotismus“ beigetragen und den Wunsch nach einem „starken und selbstbewussten Deutschland“ erneuert.2 Man wundert sich, dass nationale Selbstvergessenheit und Herrschaftsstreben schon wieder als moderne Tugenden gelten können. Was treibt zu solch nationalistischen Erweckungseifer?

„Behandle Dein Land doch einfach wie einen guten Freund. Meckere nicht über ihn [...] Du bist Deutschland.“ (aus dem TV-Spot)

Der Nationalismus von DbD1 soll eine „heilende“ Wirkung entfalten. Der Erfolg der Nation soll zum Bezugspunkt des Denkens und Handelns werden, um von den gesellschaftlichen Widersprüchen und individuell erlebten Härten abzulenken. Die Wirklichkeit ist eben keine Erfolgsstory, schon gar keine deutsche. Sie ist auch gekennzeichnet durch Arbeitslosigkeit, Sozialabbau, Armut, Elend der 3. Welt, Rassismus, Kriege, globale Umweltkatastrophen, Slums, Sklaverei etc. Aus einem konstruierten nationalen Kollektiv geschöpfte Motivation und Zuversicht soll über die täglichen Existenz- und Zukunftsängste, den Druck durch Konkurrenz, Verwertung und Kontrolle hinweg täuschen. Kampagnen für einen nationalen Aufbruch zielen auf ein Einverständnis mit diesen Zuständen und Zumutungen. Die Bevölkerung soll für die nach innen und außen gerichteten Herrschafts- und Profitansprüchen der wirtschaftlichen und politischen Eliten mobilisiert werden, sie wenigstens klaglos akzeptieren. Die Kampagne „Du bist Deutschland“ ruft „mach mit, pack an, halt’s maul und freu dich“; sie ruft eben nicht „kritisiere, misch Dich ein, ändere die Welt und emanzipier dich“ wie es für ein schöneres Leben eigentlich notwendig wäre.

Solche nationalistischen denk-dich-glücklich-Kampagnen sind ein Beitrag zur Stabilität der Herrschaftsverhältnisse. Aus Sicht der davon Profitierenden sind sie offenbar notwendig, angesichts des in Umfragen immer wieder bestätigten, fortgeschrittenen und zunehmenden Vertrauensverlusts in das politische und wirtschaftliche System. Die für einen größeren Bevölkerungsteil spürbaren neuen, sozialen Härten im nationalen Wettbewerbsstaat Deutschland erzeugen zudem ein wachsendes politisches Gefahrenpotenzial. Durch die Besinnung auf eine nationale Gemeinschaft und Aufgabe kann das entschärft werden. Dass die nationale Ideologie auch den Nazi-Banden in die Hände spielt, wird als Nebenwirkung der Beruhigungspille (gerne?) in Kauf genommen. Da helfen weder Promis noch anheimelnde Optik, die Kampagne ist in ihrer Grundanlage beängstigend.

Noch ein Wort zum Rassismus: Bei DbD1 sind im Unterschied zu DbD2 auch Leute mit Migrationshintergrund offensiv in Szene gesetzt worden. Für die Botschaft von DbD1 braucht auch nicht auf ein völkisch konstruiertes, angeblich natürliches Kollektiv zurückgegriffen werden. In dem Fall ist man ganz offen: Für Deutschland anpacken und sich sonst aus allem raus halten, dürfen alle.

Schöner Leben Göttingen, Mai 2008


1) Der erste Teil der Kampagne ist im Internet nicht mehr zu finden, viele Infos stammen daher von http://de.wikipedia.org/wiki/Du_bist_Deutschland

2) «Du bist Deutschland»-Interview: Wenn wir dabei den einen oder anderen provoziert haben, war uns das recht (exklusiv). http://www.medienhandbuch.de/prchannel/details-12773.html


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Erschienen am: 28.05.2008 AutorIn: email-address