180°:

Revolte ohne Wandel

Die Linke in der Dialektik von Theorie und Praxis

Dieser Text ist auch als Broschüre erhältlich, die als PDF-Dokument hier heruntergeladen werden kann.

Vorwort

Dieser Text beruht auf einem Vortrag, den die Gruppe 180° unter dem Titel „Revolte ohne Wandel – Die Linke in der Dialektik von Theorie und Praxis“ am 20. März 2007 im Theaterkeller in Göttingen gehalten hat. Er wurde zur Veröffentlichung leicht überarbeitet und geglättet. Die Argumentation entspricht jedoch im Wesentlichen der auf der Veranstaltung dargestellten. Die zugehörige Präsentation, die für den Vortrag verwendet wurde, findet ihr hier.

Das Ziel unserer Gruppe ist die Analyse und Veränderung der Gesellschaft als Ganzer. Dementsprechend betrachten wir Herrschaftsverhältnisse wie Rassismus und Ethnisierung ebenso wie die gesellschaftlichen Geschlechterverhältnisse nicht als „Nebenwidersprüche“, die erst nach einer wie auch immer gearteten Revolution anzugehen wären oder sich mit dieser gar von selbst erledigen würden. Aufgrund der aktuellen Debatten haben wir uns jedoch darauf beschränkt, unsere Argumentation auf den Bereich zu beschränken, der traditionell als „soziale Frage“ verhandelt wird und der sich mit dem Bereich deckt, den die Kritik der politischen Ökonomie in ihrem traditionellen Verständnis bearbeitet.

Der Titel dieser Veranstaltung lautete „Revolte ohne Wandel“. „Wandel“ meint dabei den Wandel von Gesellschaft. Wie lässt sich der Wandel der Gesellschaft vom Kapitalismus hin zu einer nichtkapitalistischen, befreiten Gesellschaft denken? Wenn gesellschaftlicher Wandel auf die Überwindung des Kapitalismus zielen soll, dann ist zunächst entscheidend, was denn diesen Kapitalismus ausmacht. Oder anders gesagt: Zu klären bleibt, was genau da eigentlich überwunden werden soll.

1. Welcher Kapitalismus? Welche Kritik?

Lange Zeit schien die Sache relativ klar zu sein. Im Kapitalismus, da gibt es auf der einen Seite die Kapitalist*Innen, dargestellt sehr häufig mit dicker Zigarre im Mund und Melone auf dem Kopf, und auf der anderen Seite gibt es die Proletarier*Innen im Blaumann und mit zerschundenen Knochen. Kapital und Arbeit stehen sich unversöhnlich gegenüber. Die einen haben die Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel, mittels derer sie jene, die nichts als ihre Arbeitskraft zu Markte tragen können, ausbeuten – also den von der Arbeiterklasse produzierten Wert abzüglich des Lohns einstreichen.

Kapitalismus wurde lange Zeit als Herrschaft der einen Klasse über eine andere analysiert und bekämpft. Die Ausbeutung des Proletariats sollte überwunden werden, der erwirtschaftete Wert also tatsächlich und möglichst vollständig in die Hände der Arbeiter*Innen gelangen. Der soziale Wandel war dabei identisch mit der Aneignung des Mehrwertes durch die Arbeiter*Innen, also dem Teil des durch Arbeit produzierten Wertes, den die Kapitalist*Innen einbehalten. Die Verteilungskämpfe von Kapital und Arbeit waren so ein unmittelbarer Anknüpfungspunkt für weite Teile der radikalen Linken. Die Kämpfe sollten auf die Entwicklung von Klassenbewusstsein zielen und schließlich von einem seinem Klasseninteresse bewusst gewordenen Proletariat zugespitzt werden, bis aus dem Kampf um den Mehrwert ein Kampf um die Expropriation der Expropriateure – der Enteignung der Enteigner – wird.

Im Mittelpunkt standen also die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums und – das ist entscheidend - die Eigentumsverhältnisse, die diese Verteilung bedingten und der einen Klasse die Macht geben, die andere auszubeuten.

Die gesellschaftliche Form des Reichtums stand dabei weitgehend außerhalb der Kritik. Was das heißt, dazu kommen wir jetzt. Dies ist im Wesentlichen der Stein des Anstoßes einer Kritik, die sich ab Mitte/Ende der 1980er Jahre entlang einer Neuinterpretation der Marx‘schen Kritik der politischen Ökonomie entwickelte.

2. Die Wertkritik

Diese Kritik hat seit einigen Jahren unter dem Label „Wertkritik“ in den Debatten der radikalen Linken v.a. in Deutschland an Bedeutung gewonnen. Ihre theoretischen Wurzeln hat sie in der neuen Marxrezeption (Backhaus, Reichelt etc.) im Anschluss an die Kritische Theorie (Horkheimer, Adorno), die zwar auch von der Protestgeneration der 1960er und 1970er Jahre rezipiert, damals aber nicht systematisch angeeignet wurde. Es gab eher einen Bezug auf die Namen als auf die damit verbundenen theoretischen Implikationen.

Dann kam es in den 1980ern zu einer neuen historischen Situation, die scheinbar eine neue und erweiterte Beschäftigung mit diesen Ansätzen nahegelegt hat: die mit sinkendem Wirtschaftswachstum verbundene und für damalige Verhältnisse hohe Arbeitslosigkeit; die ausbleibenden Kampferfolge der Arbeiter*Innenbewegung; der Niedergang des Realsozialismus; die Umweltbewegung und ihre Kritik am Wachstumszwang, mit der sich der traditionelle Marxismus nie wirklich anfreunden konnte.

Hier begann nun eine Debatte darum, was denn eigentlich den Kern des Kapitalismus‘ ausmache. Ausgegangen wurde dabei – wie das bislang in weiten Teilen der Linken ohnehin üblich war – von Karl Marx und dessen „Kritik der politischen Ökonomie“. Zuerst gebraucht wurde der Name „Wertkritik“ von der Gruppe Krisis, die mittlerweile in der damaligen Form nicht mehr existiert und um ihr Spaltprodukt „Exit“ erweitert wurde. Ein wichtiger Name in diesem Zusammenhang ist Moishe Postone, der sich vor allem um Grundlagenstudien sowie Überlegungen zum Zusammenhang von Wertvergesellschaftung und Antisemitismus verdient gemacht hat. Ein Versuch, das Geschlechterverhältnis systematisch in die Wertkritik einzuweben, liegt von Roswitha Scholz vor1.

Der Name verrät es bereits: Die Wertkritik stellt in den Mittelpunkt der Kritik schon die gesellschaftliche Form des Reichtums, also die Tatsache, dass Reichtum als Wert erscheint. Das hatte die klassische Arbeiter*Innenbewegung immer voraus- und als positiven Bezugspunkt gesetzt. Die Wertkritik findet aber schon den Umstand, dass im Kapitalismus Reichtum als Wert erscheinen muss, der sich dann wiederum im Geld ausdrückt, einen gesellschaftlichen Skandal.

Was heißt das nun? Die Grundlage des Wertes – und damit des gesellschaftlichen Reichtums im Kapitalismus – ist die Arbeit. Arbeit meint dabei aber nicht menschliche Tätigkeiten generell und überhaupt, sondern die Tätigkeiten, die sich auf den Reproduktionsprozess des Kapitals beziehen - die also im Zusammenhang von Lohn und Geld stehen, also der Warenproduktion dienen. Arbeit und Wert bilden so einerseits eine ganz besondere und nur für den Kapitalismus gültige Form von Gesellschaftlichkeit.

Mit der Entstehung des Kapitalismus ändert sich die Form, in der gesellschaftliche Herrschaft vonstatten geht. Bis dahin waren es oft persönliche Abhängigkeitsverhältnisse, die darüber entschieden, wer wieviel vom gesellschaftlichen Reichtum abbekommt. Im Kapitalismus sind die Menschen nicht mehr direkt über solche Abhängigkeitsverhältnisse in Beziehung gesetzt, sondern indirekt über den Wert – und damit eben über eine versachlichte Struktur von Arbeit und Geld, die sich ihnen gegenüber verselbständigt.

Der Wert kriegt so also eine doppelte Funktion: Einerseits ist er die gültige Form, in der sich gesellschaftlicher Reichtum ausdrücken kann. Andererseits übernimmt er aber auch die Vermittlung der gesellschaftlichen Beziehungen. Das sieht in etwa so aus:

Der Wert ist nichts weiter als die in einem Produkt verausgabte gesellschaftlich notwendige Arbeit. Das hat zur Folge, dass es bei der Produktion nicht in erster Linie um konkrete Gebrauchsgüter geht. Wenn allein die verausgabte menschliche Arbeit als Gradmesser für Reichtum zählt, dann erscheinen die von dieser Arbeit hergestellten Gebrauchsgegenstände als notwendiges Übel. "Leider" notwendig, denn wenn niemand etwas von ihnen hätte, ließen sie sich nicht verkaufen. Hauptsache: Es wird produziert, egal ob das dann Schokotörtchen oder Panzer sind. Die Verausgabung von Arbeit wird damit zum Selbstzweck. Das ist es dann, was laut Marx und der Wertkritik das Kapital ausmacht: Geldvermehrung als Selbstzweck. Aus Geld mehr Geld machen, aus einem Euro drei. Nur wo dieser Prozess gelingt – wo Kapital also in der Lage ist, Profit aus der Anwendung der Ware Arbeitskraft zu schlagen -, funktioniert dann der Prozess der gesellschaftlichen Reproduktion.

Diesen Prozess haben die Menschen zwar durch ihr Handeln in Gang gesetzt, sie können ihn aber nicht wirklich kontrollieren. Ein bisschen ist das so wie bei dem berüchtigten Zauberlehrling, der die Geister, die er rief, nicht mehr los wird. Die Menschen sind eben nicht direkt zueinander in Beziehung gesetzt, sondern nur vermittelt über die Gegenstände, die sie produziert haben. So kommt es dann, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse der Menschen die Form eines Verhältnisses von Sachen annehmen. Ihre eigenen Verhältnisse werden sachlich, und die Sachen (also die von ihnen hergestellten Gegenstände) und ihre Beziehungen untereinander kriegen plötzlich Gewalt über sie.

Bei Marx gibt es im Kapital diese mittlerweile schon fast berühmt gewordene Formulierung:

Den Menschen „erscheinen daher die gesellschaftlichen Beziehungen ihrer Privatarbeit als das was sie sind, d.h. nicht als unmittelbar gesellschaftliche Verhältnisse der Personen in ihren Arbeiten selbst, sondern vielmehr als sachliche Verhältnisse der Personen und als gesellschaftliche Verhältnisse der Sachen.“2

Diese gesellschaftlichen Verhältnisse begründen so ein Zwangsverhältnis, das dem persönlichen Willen vorgeschaltet ist. Das Kapital ist in diesem Sinne also zwar ein gesellschaftliches Verhältnis, aber eben keines, in dem die Menschen tatsächlich die Macht über ihr Leben hätten. Es ist sozusagen ein negatives gesellschaftliches Verhältnis. Es ist gibt zwar Gesellschaftlichkeit im Kapitalismus, aber sie ist zutiefst ungesellschaftlich.

Sowohl Kapital als auch Arbeit sind innerhalb dieser Logik auf das Funktionieren der Reproduktion der Kapitals verwiesen, auch wenn daraus sehr unterschiedliche Positionen in der gesellschaftlichen Machtverteilung resultieren. Dass sich die Unternehmen einen Teil des durch die Arbeit geschaffenen Wertes aneignen, war in der traditionellen Linken wesentlicher Bestandteil der Analyse. Das wird auch von der Wertkritik nicht bestritten.

Allerdings wird darauf verwiesen, dass diese Aneignung nicht so sehr dem bösen Willen der Bosse entspringt als vielmehr einem systemhaften Zwang: Um in der Konkurrenz nicht unterzugehen, müssen die Unternehmen möglichst hohe Gewinne erwirtschaften. Diese werden dann zu guten Teilen in neue, bessere oder schlicht mehr Maschinen investiert, um noch mehr produzieren und verkaufen zu können und noch höhere Gewinne zu erwirtschaften. Der Prozess der Anhäufung von Kapital wird hier als ein automatischer Prozess verstanden. Das Kapital, so eine Formulierung von Marx, sei ein „automatisches Subjekt“.

Diese Sicht bringt einige Neuerungen mit sich: Plötzlich sind alle an der Aufrechterhaltung der herrschenden Ordnung beteiligt. Es ist nicht mehr nur der kleine Zirkel von Kapitalist*Innen, die Herrschaft und Ausbeutung organisieren. Die Systemzwänge können sogar den individuellen oder kollektiven Interessen der Kapitalist*Innen entgegenstehen. Etwa wenn eine Krise ausbricht, die nun niemand der Beteiligten "gewollt" hatte, aber über sie hinweg rollt, als wäre sie eine Naturgewalt. Kapitalismus ist vielmehr das, was wir alle täglich tun, indem wir Waren produzieren und tauschen. Dadurch wurde der emphatische und selbstverständliche Bezug der Linken auf den Klassenkampf und die Arbeiter*Innen-Klasse in Frage gestellt, denn auch das Proletariat erscheint hier nur als Teil des Kapitalismus – und nicht als etwas, das irgendwie außerhalb davon steht oder Interessen hat, die über den Kapitalismus hinausweisen.

Sehr schön auf den Punkt gebracht hat das Franz Schandl:

„Man kann es drehen wie man will, konstantes und variables Kapital sind elementar an die Akkumulation gebunden. Sie backen den gleichen Kuchen, Ware genannt, aber sie streiten um die Stücke, Klassenkampf geheißen“ 3

Letztlich treten sich die Menschen also als nur als Vertreter*Innen ihrer jeweiligen Kategorien gegenüber. Das war auch Marx klar, weshalb der bereits im zweiten Kapitel des Kapital geschrieben hat:

„Die Personen existieren hier nur füreinander als Repräsentanten von Ware und daher als Warenbesitzer. Wir werden überhaupt im Fortgang der Entwicklung finden, daß die ökonomischen Charaktermasken der Personen nur die Personifikationen der ökonomischen Verhältnisse sind, als deren Träger sie sich gegenübertreten.“ 4

Etwas deutlicher wird der Gedanke im Vorwort, wenn er dort ausdrücklich betont:

„Zur Vermeidung möglicher Mißverständnisse ein Wort. Die Gestalten von Kapitalist und Grundeigentümer zeichne ich keineswegs in rosigem Licht. Aber es handelt sich hier um die Personen nur, soweit sie die Personifikation ökonomischer Kategorien sind, Träger von bestimmten Klassenverhältnissen und Interessen. Weniger als jeder andere kann mein Standpunkt, der die Entwicklung der ökonomischen Gesellschaftsformation als einen naturgeschichtlichen Prozeß auffaßt, den einzelnen verantwortlich machen für Verhältnisse, deren Geschöpf er sozial bleibt, sosehr er sich auch subjektiv über sie erheben mag.“ 5

Und so hat in der Folge solcher neuen Varianten kritischer Theorie auch innerhalb der politischen Linken eine Debatte darüber begonnen, welche Forderungen zu stellen denn nun legitim sein soll. Dabei hat es sich in großen Teilen innerhalb der radikalen Linken eingebürgert, Forderungen in zwei Kategorien zu unterteilen: in solche, die „systemimmanent“ sind und in solche, die antikapitalistisch sind. Immanent meint dabei, dass die jeweilige Forderung den Kapitalismus nicht grundsätzlich in Frage stellt. Jede Form von Umverteilungspolitik – ob staatlich oder über Lohnkämpfe - verliert damit ihre Relevanz für einen Antikapitalismus, weil sie die Form des kapitalistischen Reichtums nicht berühren.

3. Kritik der Umverteilungspolitik

Nun gibt es ja tatsächlich eine ganze Menge Gründe, warum die traditionelle Umverteilungspolitik und altbackene Klassenkampfvorstellungen nicht unbedingt der Weisheit letzter Schluss sind. Der eben schon erwähnte Zusammenhang von Arbeit und Geld etwa.

Die Interessen von Arbeiter*Innen und Kapitalist*Innen etwa sind bei weitem nicht so grundverschieden wie die traditionelle Darstellung das nahelegt. Die Arbeiter*Innen haben zwar ein grundsätzliches Interesse daran, ihre Löhne auf Kosten der Unternehmensgewinne zu erhöhen. Sie haben aber ebenso ein Interesse daran, dass die Gewinne nicht zu sehr sinken. Denn dann würden ihnen ihre Arbeitsplätze verlustig gehen – und damit auch ihre Löhne. Hier greift die oben beschriebene gegenseitige Abhängigkeit: Beide backen eben am selben Kuchen und streiten sich um dessen Stücke.

Umgekehrt gilt das ähnlich: Die Unternehmen haben selbstverständlich ein Interesse daran, die Kosten für Löhne möglichst zu senken, aber andererseits haben sie ein genauso großes Interesse, dass auch jemand die produzierten Güter kauft.

Für beide Seiten gilt hier, dass sie nicht ohne, sondern nur miteinander können. Hier haben dann übrigens auch die ständigen wirtschaftspolitischen Streitereien zwischen Keynesianer*Innen und Neoliberalen ihren Ursprung: Die einen streichen beständig die Notwendigkeit von Nachfrage heraus, während die anderen v.a. die angemessenen Unternehmensprofite im Auge haben.

Es hat also einen realen ökonomischen Grund, wenn sich Betriebsräte auf Co-Management einlassen, d.h. wenn sie das Bestehen des Unternehmens im Wettbewerb wichtig finden und ihre Politik auch daran ausrichten, dass das Unternehmen erfolgreich ist und bleibt.

Laut einer Umfrage sind 72% der Metall-Betriebsräte der Meinung: „Kollegen, die nicht mitziehen oder eine ruhige Kugel schieben wollen, können wir uns nicht leisten!“ Gleichzeitig finden die aber auch, es gäbe einen „unüberwindbaren Gegensatz von Kapital und Arbeit“ (77% Zustimmung).6 Das wirft vielleicht auch ein Licht darauf, wer mit dem "wir“ im ersten Zitat gemeint sein könnte. Dabei fangen sich die Betriebsräte ebenso wie die Gewerkschaften als Vertretungsorgan aller Arbeiter*Innen allerdings eine ganze Reihe an Problemen ein.

Tatsächlich nämlich ist für sie perspektivisch und im Schnitt immer nur das durchsetzbar, was vor den Anforderungen von Kapitalanhäufung und Gewinnmaximierung bestehen kann.

Allem verbalen Internationalismus zum Trotz ist der eigene Erfolg an den Misserfolg anderer Volkswirtschaften und ausländischer Betriebe gebunden. Allem Risiko am Arbeitsplatz zum Trotz ist Ver.di dann plötzlich für Atomkraft oder traditionelle Energieträger – da hilft auch kein grüner Bundesvorsitzender. So gibt es die durchaus erlebte Episode von Straßenarbeitern in einem städtischen Bauamt, die extra die giftige Farbe geordert haben, weil sie den Gefahrenzuschlag für die Abzahlungen der Hypothek auf ihr Haus gebrauchen konnten. Hier binden sich die Menschen und ihre Interessen an eine ihnen (wenn auch durch eigenes Handeln) vorgegebene Struktur, schränken sich, in diesem Beispiel ohne Extra-Druck von außen, selbst ein, um den Sachzwängen genügen zu können.

Aber nicht nur die materiellen Einschränkungen spielen hier eine wichtige Rolle. Auch auf einer ideologischen Ebene spielt sich Bemerkenswertes ab. Dabei geht es nicht nur um den Hang, durch standortpatriotische Argumentationen national-chauvinistische, autoritäre und rechts-konservative Positionen zu stärken, auch wenn das ein wichtiges Moment sein mag.

V.a. vollzieht sich aber eine Form der Selbstverdinglichung. Der vom Kapitalismus produzierte Skandal, dass die Interessen der einzelnen Subjekte nur innerhalb des Funktionszusammenhangs des Kapitals gesellschaftliche Gültigkeit besitzen, wird im Protest gegen die Auswirkungen dieses Zustands noch einmal reproduziert und damit legitimiert. Das individuelle Bedürfnis erscheint so mit einem Mal erst dann berechtigt, so es sich z. B. als „Nachfragefaktor“ legitimieren kann. Es zeigt sich so unfreiwillig das Totalitäre eines Systems, in dem sich selbst die Opposition gegen die von ihm produzierten Zustände mit der Übereinstimmung mit der Logik dieses Systems legitimieren.

4. Grenzen der bloßen Kritik des Werts

Das Problem, das mit dem theoriegeschichtlichen Einstieg verdeutlicht werden sollte, ist, dass diese Vorstellung von der „Immanenz“ von Forderungen, die sich meist auf Verteilungsfragen beziehen, in eben jenem neuen Kapitalismusverständnis wurzelt, das sich in Absetzung vom alten Klassenkampf-Paradigma entwickelt hat. Die sog. Verteilungsfrage galt in weiten Teilen der klassenkampforientierten Linken geradezu als idealer Anknüpfungspunkt, weil durch den Nachweis der zunehmenden Konzentration des gesellschaftlichen Reichtums ‘in den Händen weniger‘ der Kapitalismus als Klassenherrschaft entlarvt werden konnte. Vor dem Hintergrund einer Vorstellung, in der die Gesellschaft in Herrscher und Beherrschte zerfällt, sind die Anknüpfungspunkte zu deren Überwindung relativ klar auszumachen. Es sind die Interessen der Beherrschten, die diese gegen die herrschende Klasse geltend machen.

In dem Moment, wo jedoch der Klassenantagonismus zu einem immanenten Konflikt im Rahmen eines gesellschaftlichen Zwangszusammenhangs interpretiert wird, an dessen Reproduktion alle beteiligt sind, wird es schwierig, sich auf Interessen, die auf das Bestehende bezogen sind, positiv beziehen zu können. Das erklärt die Inflation des Wortes „immanent“ in den Debatten der letzten Jahre.

Für die politische Praxis ergeben sich daraus jedoch ausgesprochen paradoxe Anforderungen. Es ließen sich einerseits Kilometer von Texten aneinanderreihen, in denen gefordert wird, dass das Individuum, besser noch das ‘hedonistische Individuum‘ mit seinen Interessen und Bedürfnissen zum Ausgangspunkt emanzipatorischer Praxis gemacht werden soll. Dies richtet sich gegen jede Form von Kollektivismus und gegen die Verdinglichung des Individuums als Funktionskategorie des Kapitals, also die eben beschriebene Tendenz, Forderungen mit dem Hinweis auf Nützlichkeit für den kapitalistischen Geschäftsgang zu begründen. Auf der anderen Seite werden Forderungen oder Kämpfe, die auf die Wahrnehmung der eigenen Interessen in den bestehenden Verhältnissen bezogen sind, als immanent abgekanzelt.

So heißt es z. B. in der Mobilisierung zum Protest gegen den Opernball 2007 in Frankfurt nach einer Aufzählung von einigen konkreten Forderungen des Demobündnisses (Erhöhung Hartz IV, keine Studiengebühren, Gleiche Rechte für Alle): „Wir können solch konstruktivem Rebellentum wenig abgewinnen ( ... ) Stattdessen rufen wir die radikale Linke zum antikapitalistischen Block auf, dem es selbstverständlich und maßloserweise ums Ganze geht“.7 Dahinter verbirgt sich die Vorstellung, dass eine Praxis, die an unmittelbaren gesellschaftlichen Machtverhältnissen ansetzt, im besten Fall nichts austrägt, im schlimmsten Fall in eine reaktionäre Dichotomie von oben und unten verfällt.

In Udo Wolters Text „Gezähmte Dompteure. Wider den verkürzten Antikapitalismus der Globalisierungsgegner“ heißt es entsprechend: „Der Kapitalismus (wird) weitgehend mit einer Wirtschaftsform identifiziert, die im Interesse der privaten Aneignung des als Mehrwert produzierten Reichtums durch »herrschende Klassen« die Interessen der Ausgebeuteten mißachtet. Mit dieser Interpretation ist unweigerlich eine Reihe von Vorstellungen verbunden, denen das Herunterbrechen hochkomplexer Zusammenhänge auf einfache dichotome Gegensätze zugrundeliegt.“8

Es geht hier darum, dass in der Vorstellung von einer Dichotomie von Herrschern und Beherrschten Gesellschaft eben nicht als allgemeiner Zwangsmechanismus gefasst wird, sondern den Machenschaften bestimmter Gruppen die Verantwortung zugeschoben wird für ein System, das sich letztlich durch das Handeln aller reproduziert.

Hierzu noch einmal prägnanter die Gruppe AundK: „Players im Kapitalismus sind alle. Genötigt, Ware- Geld-Beziehungen einzugehen und darauf zu hoffen möglichst viel Wert in Gestalt des Geldes in den Händen zu halten. Der Kapitalist als Ausführender der selbstzweckhaften Wertverwertung unterliegt dabei ebenso objektiven Zwängen, muss er sich doch der von ihm nicht begriffenen und nicht zu kontrollierenden Logik des Kapitals, „des automatischen Subjekts“, unterwerfen. Mit anderen Worten: It‘s the same game, the same rules for everybody and we are all players“9

Wenn wir von einer Dialektik der Gesellschaft ausgehen, in der das Objektive das Subjektive weitgehend bestimmt, das Subjekt jedoch das Objekt reproduziert und auch transformiert, wir als Ziel die Stärkung des Subjekts vor Augen haben, dann dürfen wir das Subjekt nicht in unserer Analyse abschneiden. Andernfalls machen wir das, was Adorno sich „im Medium des Allgemeinen sich häuslich einrichten“ nannte: Alles nur Struktur. Die Subsumtion, also die Unterordnung alles Konkreten, Besonderen und des Einzelfalls unter das Allgemeine besorgt ohnehin schon das Kapital. Diese strukturalistische Auslegung der Wertkritik wiederholt dies nur nochmal, indem sie sich weigert, überhaupt noch Unterschiede wahrzunehmen. Das ist dann das, was Adorno als das „Nichtidentische“ beschrieben hat.

Umverteilungsforderungen aber wegen Immanenz als nicht unterstützenswert abzukanzeln oder zu delegitimieren muss mensch sich leisten können. Selbst das Aussprechen von krassen Ungleichheitsverhältnissen gilt bereits als illegitim, eine Anknüpfung daran erst recht. Damit werden die gesellschaftlich unbestreitbar vorhandenen krassen Ungleichheitsverhältnisse eingeebnet. Das geht soweit, dass in der Jungle World ein Autor gegen die Forderung nach Ernährungssouveranität in der Dritten Welt einwirft, sie sei reaktionäre Verteidigung der "Scholle gegen den Weltmarkt", der ja schon von Marx begrüßt worden wäre.

Auf anderen Gebieten wäre ein solches vorgehen kaum vorzustellen. Die wenigsten in diesem Raum kämen auf die Idee, aus der richtigen Erkenntnis, dass Zweigeschlechtlichkeit konstruiert ist und es ja eigentlich darauf ankäme, diese zu dekonstruieren, immanente Forderungen zugunsten von Frauen zurückzuweisen - also etwa die Durchsetzung von Quoten oder die Existenz von Frauenbeauftragten als reaktionär anzuprangern.

So wird nahe gelegt, dass jedes politische und gesellschaftliche Handeln Systemzwängen folgt. Dies verkürzt jedoch die Argumentation der Kritik der politischen Ökonomie auf unzulässige Weise. Es tut so - weil die eigene Theorie es so vorgibt - als ob Politik, Staat und Ökonomie widerspruchslos auf die Verwertung des Werts bezogen sind. Interessant ist, dass solche Argumente jeweils vollständig ohne Empirie auskommen. Sie versuchen nicht einmal mehr, ihre Kategorien an der dieser zu prüfen.

Zur Verdeutlichung einige Beispiele:

Staatliches Handeln zielt - so will es die Theorie – auf die Herstellung von idealen Reprodukionsbedingungen des Kapitals. Wenn der Staat also seine Staatsausgaben senkt, dann tut er dies, um das Kapital zu entlasten. Da alle – Kapitalismus vorausgesetzt – ein Interesse am Funktionieren der Reproduktion des Kapitals haben, ist dies auch kein Projekt der Herrschenden, sondern Folge der „objektiven Zwänge“ des „automatischen Subjekts“. Und in der Tat hat eine solche Entlastung stattgefunden, denn während der Anteil der Profite am BIP in den letzten zehn Jahren kontinuierlich gestiegen und der Anteil der Löhne kontinuierlich gesunken ist, hat sich der Anteil der beiden am Steueraufkommen genau antiproportional entwickelt. Das ist in der Tat eine Bereinigung der Profitrate - Entlastung der Profite von staatlichen Kosten.

Auf der anderen Seite war die Steuerpolitik in den letzten Jahren geprägt von der Entlastung hoher Einkommen und zu Ungunsten einer Belastung niedriger Einkommen (Siehe Folie: Mehrwertsteuererhöhung). Hier handelt es sich, in marxschen Kategorien gesprochen, um Verschiebungen innerhalb von v, also innerhalb des variablen Kapitals. Auch der Unternehmer*Innenkonsum ist in den letzten Jahrzehnten steil angestiegen - von 1991 bis 2000 allein um 15%. Dies ist in Marx‘schen Kategorien zwar ein Teil von m, wenn er jedoch nicht zur Reproduktion des Kapitals verwendet wird, spielt dies für die Bewegung des automatischen Subjekts keine Rolle. Es zeigt sich hier ganz deutlich, dass lediglich die aktuelle Schwäche von sozialen Bewegungen genutzt wird, um eine Umverteilung von unten nach oben zu organisieren. Genauso gut könnten auch Kampferfolge in die andere Richtung erzielt werden.

Das Argument läuft jedoch anders herum. Wie weit Interessen durchgesetzt werden könnten, wird gar nicht mehr gefragt. Der Begriff des „Immanenten“ wird so zur Chiffre, bei der alle schon wissen, was gemeint ist. Ob eine Forderung unter kapitalistischen Bedingungen durchsetzbar ist oder nicht, spielt gar keine Rolle mehr. Entscheidend ist, dass sie den Kapitalismus nicht überwindet.

Das wirft ein Licht auf die Bedeutung von Interessen innerhalb dieses Politikkonzepts. Wird das Individuum mit seinen Interessen verbal zwar in den Mittelpunkt gestellt, werden seine konkreten Möglichkeiten zur Veränderung seiner Situation im nächsten Moment wieder zurückgestellt, weil sie nicht über das Bestehende hinausweisen. Statt eines Interesses kann so in der Tat nur eine Identität angesprochen werden. Es wird jemensch vorausgesetzt, bei dem man davon ausgeht, dass er schon ‘fertig linksradikalisiert‘ ist und ‘den Kommunismus‘ will. So verkommt linksradikale Politik letztlich zum „Preaching to the converted“.

Nicht weil der Kapitalismus erfahrbar mit den Interessen der Individuen kollidiert, soll er abgeschafft werden. Die einzige Begründung für ein darauf gerichtetes Handeln kann nur der bereits vorhandenen kommunistischen Identität entspringen. Der Zusammenhang zwischen einem Kampf um besseres Leben und einer emanzipatorischen Perspektive wird so zerschnitten. An die Stelle von Erfahrung im gesellschaftlichen Kampf, die theoretisch reflektiert werden könnte, tritt idealistische Aufklärung.

Veränderung jedoch ist praktische Tat. Gesellschaftliches Bewusstsein ändert sich eben nicht allein durch Aufklärung, sondern durch die konkrete Aneignung der eigenen Lebensbedingungen. Dieser Aspekt von sozialen und politischen Kämpfen wird von einer allzu strukturalistischen Lesart der Kritik der politischen Ökonomie durchgestrichen. Für sie ist die Entwicklung kritischen Bewusstseins scheinbar an biographische Zufälle gebunden. Die Veränderung von Subjektivität innerhalb gesellschaftlicher Auseinandersetzung spielt bei ihrer starren Unterscheidung zwischen antikapitalistischem und reformistischem Protest scheinbar keine Rolle.

Wer jedoch von den konkreten Interessen ausgeht, die sich aus der bürgerlichen Subjektivität ergeben, betritt ein widersprüchliches Terrain. Innerhalb des Kapitalismus sind die entsprechenden Interessen immer auch kapitalistisch geprägt und nur innerhalb kapitalistischer Formen denk- und erreichbar. Das Bedürfnis nach mehr gesellschaftlicher Teilhabe verweist immer auf das Bedürfnis nach mehr Geld. Und das Bedürfnis nach mehr Geld verweist immer auf mehr Arbeit. Die Forderungen nach „mehr Arbeit“ und nach „mehr gesellschaftlicher Teilhabe“ lassen sich so zwar theoretisch trennen, lebenspraktisch sind sie eins.

Für die politische Linke galt immer der Leitsatz, dass das gesellschaftliche Sein das Bewusstsein bestimme. Nicht per se sei der Mensch dem Menschen ein Wolf (wie das noch die liberale Ideologie zu wissen meinte), sondern weil die Gesellschaft ganz real Menschen als Konkurrent*Innen zueinander setzt, die Menschen sich also täglich als Wölfe zueinander verhalten müssen, wird die wölfische Natur zu ihrer zweiten. Nun sind die gesellschaftlichen Verhältnisse und die soziale Praxis der Menschen nichts, was glatt und einfach funktionieren würde. Gerade die wertkritische Lesart von Marx verweist immer wieder darauf, dass diese Gesellschaft widersprüchlich strukturiert ist. Entsprechend wäre es vermessen, davon auszugehen, dass die von dieser widersprüchlichen Praxis hergestellten Identitäten der Subjekte alle glatt und widerspruchsfrei wären. Trotz aller Ideologie gibt es doch auch eine ganze Reihe Brüche, an die sich anknüpfen lässt.

Da ist etwa der Widerspruch von Individualismus und Kollektivismus: Auf der einen Seite bilden sich die Subjekte ein, unbeeinflusst von der Gesellschaft zu einem selbständigen Individuum geworden zu sein. Auf der anderen Seite sind sie immer bereit sich anzupassen und den gesellschaftlichen Zwängen zu unterwerfen. Und sie sind dazu bereit, innerhalb kürzester Zeit von der einen Existenzweise in die andere zu springen. Das spiegelt sich auch in ihrem Menschenbild wieder: Einerseits unterstellen sie dem Menschen, er sei von Natur aus egoistisch, andererseits sind sie selber bereit sich einzuschränken und zu verzichten, wenn es die Situation erfordert. Ein anderer Anknüpfungspunkt könnte die schlichte Tatsache sein, dass im Kapitalismus meist mit Erhöhung der Produktivität es den Menschen immer schlechter geht.

Dabei geht es nicht darum, dass wir gerne eine widersprüchliche Konstitution der Subjekte hätten, damit sie zu unserem Praxiskonzept passt. Vielmehr müssen wir feststellen, dass diese Subjektbildung logisch der gesellschaftlichen Praxis dieser Subjekte entspricht. Diese Praxis ist nämlich eine widersprüchliche und bringt entsprechend auch widersprüchliche Subjekte hervor.10 Wäre dem nicht so, würden wir diesen Text weder schreiben noch lesen können.

Eine Position, die diese Annahme ablehnt, muss erklären, wie Linke zu ihren Ideen kommen und wie gesellschaftlicher Wandel aussehen soll, wenn alle strikt ideologisch durchgeformt sind.

Wir hatten argumentiert, dass die Menschen ihre Wünsche und Bedürfnisse nur in kapitalistischen Kategorien ausdrücken können. Wenn sie satt werden wollen, brauchen sie Brot. Um Brot zu kriegen, brauchen sie Geld. Um Geld zu kriegen, brauchen sie Arbeit. Wir hatten das. Solange ein alternative Gesellschaftsmodell nicht mal denkbar erscheint, nimmt es nicht Wunder, wenn sich die Menschen auf den Mechanismus beziehen, der ihnen – wenn auch mehr schlecht als recht – zumindest das Nötigste zum Überleben zukommen lässt.

Menschen kennen nur dieses eine Modell. Auch die Linke kennt kein anderes. Sie weigert sich über Alternativen nachzudenken und Frühformen derer zu etablieren. Jeder Versuch in diese Richtung wird dann mit dem Hinweis, er würde nicht vollständig aus dem Kapitalismus herauszutreten, abgelehnt. Z.B. Umsonstläden erscheinen dann als verkürzter Ansatz, der nur an der Zirkulation ansetzt, statt als Teil einer umfassenderen sozialen Praxis begriffen zu werden.11

Wenn es um das Privatleben genau der Linken geht, die den Menschen vorwerfen, sie würden systemimmanent Politik machen, dann reklamieren diese Adorno für sich, der bereits Ende der 40er Jahre in den Minima Moralia schrieb: „Es gibt nichts Richtiges im Falschen“. Das gilt dann für viele als Pauschalgenehmigung, in der gesellschaftlichen Konkurrenz mitzuspielen, das Studium als Ausbildung zu begreifen und sich um einen guten Job zu bewerben. In den Bewerbungsgesprächen werden sie dann sich und ihre Fähigkeiten und Besonderheiten in die Waagschale werfen, um andere auszustechen, besser wegzukommen als die Konkurrenz und selber den Job zu bekommen.

Dasselbe machen nun auch viele Menschen innerhalb sozialer Protestbewegungen. Die Bewerberin erklärt dem Chef, wo denn die Vorteile für das Unternehmen liegen, wenn gerade sie eingestellt wird. Sie würde nie auf die Idee kommen, den eigenen Wunsch nach einen gemächlichen, guten Leben als Grund für die Anstellung zu präsentieren. Die Protestlerin macht nun dasselbe, nur eben auf einer politischen Ebene. Sie rechnet der Instanz, an die sie sich wendet (der Gesellschaft, dem Staat, der Regierung), vor, warum es für diese sinnvoll ist, das private Anliegen auch hier zum Allgemeinen zu machen. Sie bieten sich der Nation als ‘unser einziger Rohstoff‘ an, genau wie das in Bewerbungsgesprächen ohnehin Gang und Gebe ist. Solche Forderungen drücken also nicht unbedingt einen individuellen Nationalismus aus, sondern haben eher die Rolle eines gesellschaftlichen Bewerbungsgespräches.

Was so gern als Kollektivismus gebrandmarkt wird, in dem sich das Individuum durchstreicht, kann also ebenso als Übertragung der ökonomisch gemachten Erfahrung eben bei der Durchsetzung von individuellen Interessen auf die Ebene der Politik interpretiert werden. Der die Gesellschaft vertretende Staat erscheint hier als Vertragspartner, mit dem ein Tausch eingegangen wird, bei dem der, der was bekommt, ein entsprechendes Äquivalent zu geben hat. Das Politische wird hier privatisiert und auf das reduziert, was die Warenbesitzerin kennt: Äquivalententausch. Das ist leider alles andere als irrational, sondern das rationale Handeln in einer selbst irrational eingerichteten Welt.

Hierfür zwei Beispiele:

Als in Göttingen der Präsident der Georg-August-Universität mit der Idee anbändelte, die sozialwissenschaftliche Fakultät mehr oder weniger dem Erdboden gleichzumachen, gab es die Initiative eines Politik-Studis, der einen Brief an den Bürgermeister aufgesetzt hatte. In diesem Brief wurde dem Bürgermeister vorgerechnet, welche Nachteile die Stadt Göttingen davon hätte, gäbe es die Sowi-Fakultät nicht mehr. Während der 48-Stunden-Uni gab es dann eine Veranstaltung, in der das Gegenteil versucht wurde: Eine linke VWL-Studentin rechnete den Anwesenden vor, dass es für die Stadt Göttingen im Gegensatz dazu sogar sinnvoll wäre, wenn die Sowis nicht mehr da wären. Sie hatte dabei nichts anderes getan als ein paar Parameter zu verschieben und so den Unsinn der Argumentation leicht nachweisen können.

Während dieser Veranstaltung geschah nun etwas Merkwürdiges. Es wurde nämlich gar nicht lange darüber diskutiert, welche der beiden Rechnung richtig sei. Der aktivistische Politikstudent insistierte vielmehr darauf, dass es ihm darum gar nicht ginge. Würde er mit dem simplen Anliegen, er wolle hier in Ruhe zu Ende studieren, zum Bürgermeister gehen, wäre dem das vermutlich reichlich egal. Darum hätte er nach Gründen gesucht, warum dieser sich für ihn einsetzen solle.

Von einem anderen Beispiel berichteten die Wertkritischen Kommunisten Leipzig, die sich in Anti-Hartz-IV Proteste eingeklinkt und an Montagsdemos teilgenommen haben:

„Der Slogan „Niedriglohn und Zwangsarbeit – dafür haben wir keine Zeit“ wurde am Anfang vom kleinen Grüppchen der Libertären und Klassenkämpfer gerufen, einige Wochen später war er an der Spitze des Demozuges zu hören; Gewerkschaftsvertreter forderten die 30-Stunden-Woche und ein Existenzgeld von 1500 € für alle, unabhängig ob Arbeitswillige oder -unwillige, Deutsche oder „Ausländer“; es wurde sich immer und immer wieder gegen die Teilnahme von Nazis an der Demonstration ausgesprochen (freilich auf eine linksliberale Weise); ein unüberhörbarer libertärer Block fordert „Alles für Alle und zwar umsonst“.

Ja, alles das sind nur Beispiele. Ebensolche Beispiele, wie sie von jenen vorgebracht werden, die Transparente abschreiben und hinterher im stillen Kämmerlein – nein: nicht Marx lesen, sondern - messerscharf analysieren, dass „Schröder in die Produktion“ nun wirklich keine emanzipatorische Parole ist und dass verdächtig oft Banken und Bonzen kritisiert werden.“12

Wir bestreiten nicht, dass es ekelhaften Nationalismus in diesen Bewegungen gibt und dass es Leuten schwerfällt, ohne Bezug auf Nation, Standort und allgemeine Sachzwanglogik ihre Bedürfnisse zu artikulieren. Wenn einer auf der Demo steht, dann hat er ein individuelles Interesse, das er in seinem nationalistischen Denkformen übersetzt. Das heißt aber nicht, dass er auf der Demo ist, um Deutschland zu stärken.

In dieser Denkweise vieler Linker werden Individuum und Kollektiv einander entgegengesetzt und einer der beiden Parts als emanzipativer besetzt. Bereits Adorno hat festgestellt, dass diese Gegenüberstellung nicht funktioniert:

„Die Gesellschaft in ihrer gegenwärtigen Gestalt [..] beruht auf der Verfolgung des je eigenen Interesses gegen die Interessen aller anderen. Das hat im Charakter der Menschen bis in ihr Innerstes hinein sich niedergeschlagen. Was dem widerspricht, der Herdentrieb der sogenannten lonely crowd, der einsamen Menge, ist eine Reaktion darauf, ein Sich-Zusammenrotten von Erkalteten, die die eigene Kälte nicht ertragen, aber auch nicht sie ändern können.“13

Jede Bewegung, die sich um eine Interesse herum formiert, ist heterogen. Schließlich ist es nicht eine gemeinsame Identität, die den Zusammenhang stiftet, sondern ein gemeinsames Interesse. Deshalb kann nicht erwartet werden, dass eine Bewegung für sich und vollständig emanzipatorisch ist. Die Frage, wodurch dieses Interesse behindert wird und wie es durchzusetzen wäre, ist Gegenstand von Interpretationskämpfen innerhalb dieser Bewegung. Einer Linken, die meist anhand von drei Transparenten auf einer Demo beurteilen kann, was von einer Bewegung zu halten ist, fehlt hier eindeutig ein begriffliches Instrumentarium, um die Dynamik solcher Bewegungen verstehen zu können.

5. Kämpfe für eine andere Vergesellschaftung - bildet Keimformen!

Nun reicht es natürlich nicht, ganz einfach die Kritik an sozialen Kämpfen, die innerhalb kapitalistischer Formen verbleiben, zurückzuweisen. Solchen Kämpfe können auch immanent sinnvolle Veränderungen erkämpfen. Darüber hinaus artikuliert sich darin das Bedürfnis nach Veränderung, an das eine radikale Kritik anknüpfen könnte. Es müsste darum gehen, die immanente Kritik zu radikalisieren und sich schon heute darüber Gedanken zu machen, wie denn eine neue, nach-kapitalistische Vergesellschaftung aussehen kann. Und es muss darum gehen, erste Ansätze neuer Vergesellschaftung auszuprobieren - was nur in sozialen Bewegungen sinnvoll möglich ist.

Das widerspricht dem in der Linken durchgesetzten Utopienverbot, demgemäß alle Entwürfe einer alternativen sozialen Praxis vom Bestehenden kontaminiert seien, und daher ihre Aufstellung und Durchsetzung selber ein totalitäres Moment habe. Da ist sicherlich etwas dran, wenn fertige Ideen präsentiert werden, wie eine nachkapitalistische Gesellschaft auszusehen hätte. Trotz allem muss es möglich sein, eine Ahnung davon zu bekommen, worum es der Linken überhaupt geht.

Dies Utopienverbot, so sinnvoll es auf der einen Seite auch sein mag, schlägt aber gleichsam gegen die Linke zurück: wer nicht mehr über andere Formen des Lebens reden mag, für den wird Emanzipation zur bloßen Metapher. Dann steht am Ende jedes Textes die Phrase "für den Kommunismus" - worunter kein Spanferkel verstehen kann, was die Linke damit sagen möchte.

Der Eindruck vieler Menschen, wenn schon nicht in der einzigen möglichen, so doch immerhin in der besten aller möglichen Welten zu leben, wird so bestärkt. Als wäre diese Gesellschaft den Menschen nicht ohnehin zur zweiten Natur geworden, weigert sich die Linke, dieser Naturalisierung eine befreiende Perspektive entgegenzusetzen.

Das „notwendig falsche Bewusstsein“ resultiert nicht zuletzt auch aus der zunehmenden Unfähigkeit des Individuums, sich den gesellschaftlichen Verhältnissen zu entziehen. Die Erkenntnis über deren historisches ‘Gewordensein‘ erscheint ihm als banal und als Zumutung. Denn sie verändert den alltäglichen Druck, den gesellschaftliche Verhältnisse auf die Einzelnen ausüben, nicht unmittelbar.

Das erste, das Menschen wissen wollen, wenn der Kapitalismus in Frage gestellt wird, ist, wie es denn anders funktionieren könnte. Das ist ernst zu nehmen, denn niemand kauft die Katze im Sack. Der Spatz in der Hand ist den meisten eben doch lieber als Taube auf dem Dach. Wer weiß schon, gerade angesichts von Erfahrungen wie denen im realexistierenden Sozialismus, der oft zu verwirklichter "marxistischer Utopie" umgedeutet wird, was einen erwartet.

Wenn Ware, Geld und Arbeit keine Naturgesetze sind, dann brauchen wir eine Vorstellung davon, wie es anders gehen sollte. Schon der leise Hinweis auf Linux und Freie Software reicht in vielen Debatten bereits aus, das Argument der Notwendigkeit, den Zugriff auf gesellschaftliche Ressourcen von Leistung und Arbeit abhängig zu machen, vom Tisch zu wischen. In solchen und anderen kleinen Projekte wird zumindest in Teilen mit der üblichen gesellschaftlichen Praxis gebrochen. Die Eigentumsverhältnis werden ansatzweise aufgehoben, das Ware-Geld-Verhältnis unterbrochen, Kreativität wird durch Kooperation befördert, statt durch Konkurrenz gehemmt zu werden.

Diese neue soziale Praxis kann dann nie das fertige Neue sein - das ist klar. Aber hier können neue Formen der Verteilung und Produktion ausprobiert werden, es kann gesellschaftliches Miteinander ausprobiert und Ideologie reflektiert werden. Beispiele dafür gibt es wie Sand am Meer, die meisten haben von der einen oder anderen schon einmal gehört:

Die Idee der Umsonstläden ist nicht neu, in den meisten größeren Städten gibt es einen und auch im Göttinger Juzi hat sich die Szene einen geschaffen – auch wenn dessen nur begrenzte Nutzung und mäßige Lage darauf schließen lassen, welche Rolle er innerhalb der organisierten Linken spielt. Der Gedanken der Umsonstökonomie ist im Konzept der NutzerInnengemeinschaften dann weitergedacht worden. Hier geht es darum, sich gegenseitig die vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Einkommensgemeinschaften sind Zusammenschlüsse von Menschen, in denen das je privat erwirtschaftete Einkommen gemeinschaftlich genutzt wird – ohne sich um die Zuordnung von Leistung und Zugriff auf Reichtum zu kümmern. Ein spannendes Betätigungsfeld könnten – gerade angesichts der neueren Umstrukturierungen im Bildungssystem – freie Bildungsnetzwerke sein. Hier könnte Bildung jenseits des üblichen Zugriffs auf universitäre oder schulische Institutionen organisiert werden. Möglichkeiten gibt es viele, es braucht lediglich den Willen, sie auch zur Kenntnis zu nehmen und umzusetzen.

6. Für eine neue Fragestellung

Die Wertkritik hat der radikalen Linken neue Fragen aufgeworfen. Sie hat den Rahmen der Analyse der bestehenden Gesellschaft sinnvoll erweitert und ist so zu einer Kritik der gesellschaftlichen Formen gelangt. Nun gibt es aber eine ganze Reihe von Schlüssen, die aus den ganz grundsätzlichen wertkritischen Überlegungen gezogen werden, die nicht nur problematisch oder kontraproduktiv, sondern in vielen Fällen auch schlicht falsch sind.

Wertkritik wird hier zum Ticket, mittels dessen die kapitalistisch geprägten linksautonomen Subjekte durch das Leben zu gehen versuchen, ohne sich noch mit der sozialen Wirklichkeit auseinandersetzen zu müssen. Kapitalistische Subjektivität wird nicht mehr auf seine Widersprüchlichkeit hin analysiert, sondern auf Konformismus abgeklopft. Wer nur sehen will, wie alle gleichgeschaltet durch die Gegend rennen, wird auch nur das zu sehen bekommen. Damit wird aber letztlich die originär wertkritische Unterscheidung zwischen Wesen und Erscheinung durchgestrichen. Beide werden in eins gesetzt und linkes Räsonieren wird zu einer Art kritischem Empirismus, der nicht mehr begreifen, sondern nur noch beschreiben will.

Das Verhältnis von Kollektivismus und Individualismus ist dabei ein Schlüssel zur Erkenntnis. Für Postone ebenso wie für Marx war der Widerspruch zwischen beidem ein aus dem Kapitalismus entstandener und sich im Kapitalismus stetig reproduzierender. Für eine befreiende soziale Praxis ebenso wie für die eine Gesellschaft ohne verselbstständigte Prozesse, die den Einzelnen als Zwang gegenübertreten, muss das aber kein Gegensatz sein. Nur wenn sich linke Politik wieder in die Lage versetzt, individuelle Interessen innerhalb kollektiver Organsierungsformen durchzusetzen, wird aus der Rede vom hedonistischen Individuum eine politische Perspektive.

Wenn die Analyse überall nur Subjekte sieht, die viel zu wenig Eigeninteresse zeigen, ist das die halbe Wahrheit: es lässt unter den Tisch fallen, dass in dieser Subjektivität auch gnadenlose Konkurrenzbereitschaft und Egoismus eingeschrieben sind. Hedonismus im Kapitalismus heißt eben immer auch die Durchsetzung des je eigenen Interesses gegen die Interessen der Anderen. Dies gilt es zu kritisieren, muss aber gleichzeitig als Ansatzpunkt für revolutionäre Praxis dienen. Für die Linke heißt das, die Rede von den gesellschaftlichen Zwangsverhältnissen ernst zu nehmen. Das hieße nämlich, dass widerständiges – erst recht emanzipatorisches - Handeln nichts ist, was sich von selbst entwickelt.

Vielmehr kann dies nur über die Politisierung von gesellschaftlichen Interessen gelingen. Das heißt aber auch, dass die Linke sich endlich Fragen muss, wie eine Widerständigkeit aussehen könnte, die mehr ist als nur die Inszenierung von militantem Auftreten.

Es müsste ein Widerstand sein, der Widersprüche ernst nimmt statt sie einzuebnen. Analog etwa zu der Opel-Betriebsgruppe "Gegenwehr ohne Grenzen", die innerhalb der Belegschaft gegen die Autogesellschaft agitiert hat.14

Wichtig ist, dass Widerstand sich nicht chauvinistisch artikuliert. Hier ist selbstverständlich Intervention nötig. Über die Integrierbarkeit von Bewegungen ist nicht allein auf Grund der Begründungen, die sie sich auf die Fahnen schreibt, entschieden. Wichtig ist zudem, dass sich im Widerstand gegen Zumutungen Subjektivitäten verändern bzw. entwickeln können. Alte Deutungsmuster werden in Frage gestellt, wenn sie nicht mehr in der Lage sind, die gemachten Erfahrung abzubilden. Neue, emanzipatorische Denkmuster können sich jedoch nicht entwickeln, wenn es keine entsprechenden Deutungsangebote gibt.

Und nicht zuletzt gibt es in sozialen Kämpfen immer auch ein antiautoritäres Moment, das zu stärken für gesellschaftliche Veränderung unverzichtbar ist: erst wenn Menschen sich selber als handlungsfähig erleben, können sie überhaupt auf die Idee kommen, jenseits von Befehl und Verwertungsimperativ ihr Leben zu organisieren. Nur so kann denkbar werden, dass Widerstand möglich ist.

Es gilt also die Suche nach Projekten aufzunehmen, in denen gesellschaftliche Brüche zumindest erprobt werden können und in denen sich auch unsere je eigene Subjektivität verändern kann. Denn machen wir uns nix vor: Wir sind genauso voller Ängste und Unsicherheiten, wie die von uns wahlweise Attackierten oder Politisierten. Es gibt genügend Linke, die sich nicht sicher waren, ob sie beim seinerzeit geplanten Boykott von Studiengebühren mitmachen, die zu später Stunde zugeben, sich Sorgen um morgige Lebensplanung zu machen, die das Bedürfnis nach gemeinsamen Lebens- und Wohnprojekten durchaus spüren, es aber aus Angst und Unsicherheit nicht in die Hand nehmen.

Innerhalb solche Projekte, Protestformen oder Bewegungsfragmente geht es dann darum, sich nicht von außen zu nähern und als strengblickendes Über-Ich die theoretischen Verkürzungen mittels unvermittelbaren Ansprüchen zu kritisieren. Schließlich geht es doch gerade darum, die eigene Position vermitteln zu wollen. Allerdings soll das nicht heißen, vorhandene Widersprüche etwa zwischen reformistischen Forderungen und individueller Interessenwahrnehmung ausblenden. Vielmehr sollten wir nach Wegen suchen, soziale Kämpfe so führen zu können, dass beides einander nicht gegenübersteht.

Gerade weil die Reproduktion des Kapitalismus sich in der alltäglichen Reproduktion des Individuums vollzieht, geht es entsprechend darum, Konzepte zu entwickeln, die die alltägliche Reproduktion des Individuums als Ansatzpunkt für antikapitalistischen Widerstand fassen können. Was bedeutet es aber konkret, das Individuum mit seinen Interessen und Bedürfnissen zum Ausgangspunkt von Veränderung zu machen?

Eine solche Fragestellung hätte zu arbeiten sowohl mit den Ängsten als auch mit der Verinnerlichung von Zwängen. Sie müsste Antikapitalismus fassen als konkrete Praxis im Alltag; und nicht nur auf Demos, die sich gegen die Sachzwänge der Wertvergesellschaftung richten.

Was bisher passiert, ist ein Vermeiden der Widersprüche, die sich daraus ergeben. Z.B. dass ein Protest gegen eine Betriebsschließung zunächst einmal ein Kampf um den Erhalt von Arbeit ist, von dem mensch an und für sich nicht viel hält, der aber für die Beteiligten erst einmal der einzige Weg ist, sich zur Wehr zu setzen.

Stattdessen findet eine Auslagerung auf Events statt (Demos, G8 etc.). Nun kann auch der Protest gegen den G8-Gipfel sicherlich genutzt werden, um gesellschaftliche Widersprüche zu benennen und Subjektivitäten aufzubrechen. Nur braucht es dazu eine weitergehende Praxis als die Bildung antikapitalistischer Blöcke auf unübersichtlichen Bündnisdemonstrationen.

Literatur:

Adorno, Theodor W.(2003): Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben. Frankfurt am Main

Adorno, Theodor W. (1966): Erziehung nach Auschwitz. In: ders., Gesammelte Schriften 10.2, 687)

Basisgruppe Sowi (2005): Unipräsi als Bildungskiller. Kurt von Figura outet sich als analphabetischer Anti-Humboldt. URL: http://emanzipationoderbarbarei.blogsport.de/studium/alte-texte/bildungspolitik/uniprasi-als-bildungskiller/

Kurz, Robert (2004): Aneignung als Modebegriff einer verkürzten Kapitalismuskritik. URL: http://www.exit-online.org/textanz1.php?tabelle=schwerpunkte&index=12&posnr=138&backtext1=text1.php

Marx, Karl: Das Kapital. Band 1. In: MEW 23

Mausebär (2005): Warum es not tut, gegen Hartz IV zu protestieren und Bewegungsbeschimpfung anti-emanzipatorisch ist. URL: http://wkl.50webs.org/gegenhartz4.html

Hälker, Juri (2003): "Ziemlich bunt hier. Vom Denken verunsicherter Betriebsräte - Eine Fallstudie" in: Z. Zeitschrift für marxistische Erneuerung, Nr. 56/2003

Postone, Moishe (2003): Zeit, Arbeit und gesellschaftliche Herrschaft. Eine neue Interpretation der kritischen Theorie von Marx. Freiburg

Scholz, Roswitha (2000): Das Geschlecht des Kapitalismus. Feministische Theorie und die postmoderne Metamorphose des Patriarchats. Bad Honnef

Scholz, Roswitha (2005): Differenzen der Krise - Krise der Differenzen. Die neue Gesellschaftskritik im globalen Zeitalter und der Zusammenhang von "Rasse", Klasse, Geschlecht und postmoderner Individualisierung. Bad Honnef


1) Roswitha Scholz: Der Wert ist der Mann. http://www.exit-online.org/html/link.php?tab=autoren&kat=Roswitha%20Scholz&ktext=Der%20Wert%20ist%20der%20Mann

2) Marx, Karl: MEW 23, S. 87

3) Schandl, Franz: Mehrwert und Verwertung, in: Streifzüge 30/2004. Online unter: http://www.krisis.org/2004/mehrwert-und-verwertung

4) Marx, Karl: MEW 23, S. 99f

5) Marx, Karl: MEW 23, S. 16

6) Hälker, Juri (2003): "Ziemlich bunt hier. Vom Denken verunsicherter Betriebsräte - Eine Fallstudie"

7) http://www.autonome-antifa.com/cms/?p=58

8) Wolters, Udo: Gezähmte Dompteure. Wider den verkürzten Antikapitalismus der Globalisierungsgegner. Online unter: http://www.sopos.org/aufsaetze/3b9935425db36/1.phtml

9) Flyer der Gruppe Antifa|Aktion&Kritik (Göttingen)

10) Postone, Moishe: Zeit, Arbeit und gesellschaftliche Herrschaft, S. 72f

11) vgl. hierzu beispielhaft Kurz, Robert: Aneignung als Modebegriff einer verkürzten Kapitalismuskritik, 2004. Online unter*http://www.exit-online.org/textanz1.php?tabelle=schwerpunkte&index=12&posnr=138&backtext1=text1.php

12) Mausebär: Warum es not tut, gegen Hartz IV zu protestieren und Bewegungsbeschimpfung anti-emanzipatorisch ist, 2005, Online unter* http://wkl.50webs.org/gegenhartz4.html

13) Adorno, Theodor W.: Erziehung nach Auschwitz. In: ders., Gesammelte Schriften 10.2, 687

14) Ein Vortrag über solche Agitation bei Opel findet sich hier. Hintergrundinfos zur Gruppe findet ihr hier und theoretische Ausführungen über den Hintergrund hier.


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