Gender und Sprache
Immer wieder kommt dieses unsägliche Thema auf: Dass Menschen darauf achten, nicht nur Männer, sondern auch Frauen anzusprechen, nicht nur von Schülern, sondern auch von Schülerinnen zu sprechen, gilt als übertrieben und unnütz. „Die sind doch mitgemeint“ heißt es darauf immer. Das müssen die für ihren Sprachgebrauch Kritisierten dann glauben. Bis ihnen Zusammenhänge auffallen, in denen Frauen scheinbar doch nicht mitgemeint sind.
Bis 1971 etwa durften Frauen in der Schweiz nicht wählen. Die Verfassung der Schweiz vergab das Wahlrecht lediglich an alle Schweizer. Da konnten sich Frauen noch so sehr mitgemeint fühlen – wählen durften sie nicht. Erst seitdem sie gesondert erwähnt werden, dürfen auch sie an der Wahl teilnehmen. Es scheint also doch einen Unterschied zu machen, was da gesagt und geschrieben wird.
Aber auch sonst finden wir in der Alltagssprache viele Beispiele dafür, das Frauen vermeintlich mitgemeint sind, dann aber plötzlich doch wieder gesondert behandelt werden. Wenn etwa von Arbeitern die Rede ist, die mit ihren Frauen in den Urlaub fahren oder von den Handwerkern, die in der Mittagspause ihre Frauen anrufen. Und so gibt es dann auch viele Sätze dieser Art, die wir sagen können. Wir können etwa sagen: „Alle Arbeiter gehen mit ihren Frauen zur Betriebsfeier“. Aber wir können nicht sagen: „Alle Arbeiter gehen mit ihren Männern zur Betriebsfeier“. Mal abgesehen davon, dass Beziehungen hier immer als heterosexuelle Zweierbeziehungen gedacht werden: Obwohl doch alle mitgemeint sein sollen, mit Arbeiter also angeblich alle gemeint sind, klingt das eine offensichtlich schräg.
Das hat durchaus Tradition. Kant etwa fügte der Rechtlosigkeit von Kindern wie selbstverständlich die von Frauen hinzu. Frauen galten nicht als Teil des öffentlichen Lebens, sie sollten sich um Kinder und Küche kümmern. Egal ob Thomas von Aquin den „wesentlichen Wert der Frau“ in „ihrer Gebärfähigkeit und in ihrem hauswirtschaftlichen Nutzen“ ausmachte, ob Martin Luther ihnen das Reden verbieten wollte oder Hegel, Heine und Karl Kraus ihnen Denken und Wissenschaftlichkeit per se absprachen - sie gehörten nicht dazu. Und mussten deshalb auch nicht eigens erwähnt werden. Die Welt galt und gilt als eine Männliche – und deshalb wurde stets auch nur das Männliche erwähnt
Sicherlich haben Frauen viele wesentliche Dinge zum gesellschaftlichen Leben beigetragen, nur wurde das nie erwähnt. Deshalb erscheint die Wissenschaft in der Rückschau noch viel männlicher, als sie es ohnehin schon war. Und wer immer nur von Managern und Automechanikern spricht, der oder die sollte sich nicht wundern, wenn es am Ende auch nur Manager und Automechnaniker gibt.
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